Geschichte

gegründet am 31.August 1904

 I. Vor 100 Jahren:

Schrieb man soeben noch Achtzehnhundert als Jahreszahl – nun schreibt man Neunzehnhundert im Kalender – und das bewegte 20. Jahrhundert beginnt.

Zur Erinnerung ein Blick in die Geschichtsbücher: In Deutschland regierte als Staatsoberhaupt der Deutsche Kaiser Wilhelm II, in Bayern der Wittelsbacher Prinzregent Luitpold; Reichskanzler war Fürst Bernhard von Bülow. Seit sechzig Jahren dampft die Eisenbahn schon durchs Land und durch unser Maintal. Daimler konstruiert das erste Kraftfahrzeug und in Amerika riskieren die Gebrüder Wright den ersten Motorflug. Der italienische Tenor Caruso ist auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Albert Einstein arbeitet an seiner Relativitätstheorie. Der Taler wurde von der Mark und dem Pfennig abgelöst. Die 3. Olympischen Spiele der Neuzeit finden 1904 in St. Louis in den Vereinigten Staaten von Amerika statt.

War es einfach nur die Aufbruchsstimmung zum Schritt ins neue Jahrhundert? Oder war es das 10. Deutsche Turnfest 1903 in Nürnberg mit 30.000 Teilnehmern, dessen Impulse für die Turnerbewegung auch vor den Weismainer Stadtmauern nicht halt machten? Tatsache bleibt, dass die Grundideen des deutschen Turnvaters Friedrich Ludwig Jahn (1778 – 1852) auch in unserem Städtchen auf fruchtbaren Boden fielen. Noch galten die Turnfeste als eine Domäne der Männer und nur zögernd hielt das Frauenturnen in den Turnerschaften Einzug.

II. TV-Gründerjahre

In den Nachbarorten Lichtenfels, Michelau und Burgkunstadt waren bereits Turnvereine gegründet worden. So war es nicht verwunderlich, dass sich auch in Weismain junge Männer zusammenfanden – übrigens zum großen Teil Beschäftigte des damaligen Rentamts (jetzt Finanzamts) – um der Weismainer Jugend in einem Verein die geistige und körperliche Ertüchtigung zu vermitteln. Nach einem Aufruf trafen sich am 31.August des Jahres 1904 siebzehn junge Männer im Gasthof Fuchs (jetzt Haus Am Markt 8) zur Gründung des Turnvereins. Folgende Gründungsmitglieder waren beteiligt:

Detsch Georg, Dietz Heinrich, Eck Georg, Eck Hans, Hopfenmüller Ernst, Hopfenmüller Martin, Joas Karl, Kunzelmann Georg, Metschnabel Jakob, Müller Hans, Neuberger Daniel, Neuberger Georg, Neuberger Lorenz, Raab Georg, Tremel Andres, Ultsch Andreas, Voll Joseph.

Die erste gewählte Vorstandschaft setzte sich zusammen aus :

1. Vorstand:    Tremel Andreas
Turnwart:         Ultsch Andreas
Schriftwart:     Metschnabel Jakob
Jugendwart:   Joas Karl
Kassier:           Neuberger Daniel

Der erste Eintrag im Protokoll lautet in kräftiger Deutscher Schreibschrift: „Schon seit mehreren Wochen hatte sich unter der Leitung des Herrn Amtsgehilfen Joas und Herrn Büttners Lorenz Neuberger, einem früheren Mitglied des Turnerbundes Lichtenfels, eine Anzahl von jungen Leuten und Zöglingen des öfteren am Lindenkeller zur Pflege der edlen Turnerei zusammengefunden. In diese Zeit fällt die Anteilnahme der Turner am 8. oberfränkischen Bezirksturnfest in Lichtenfels per Leiterwagen“ (!)

Lorenz Neuberger stellte die Verbindung zum Turnerbund in der Kreisstadt her und ermöglichte so die turntechnische Betreuung und Unterweisung der Turner im Geräte- und Volksturnen. Insbesondere war es Turnbruder Morgenrot aus Lichtenfels, der die Ausbildung der Turner von Weismain persönlich leitete.

Als erster Turnplatz diente das Gelände am sogenannten Lindenkeller, das die Stadtverwaltung Weismain zur Verfügung stellte (heute ca. 300 m außerhalb der Stadtgrenze in der Hollfelder Straße). Turngeräte waren noch nicht vorhanden und es fehlte an den nötigen Geldmitteln. So wurden dort am Lindenkeller notdürftig ein Reck aus zwei Holzbalken und einer Eisenstange errichtet und ein einfacher Barren sowie eine Kletterstange erbaut.

Das Gasthaus „Zur Krone“ war zunächst das Stammlokal des jungen Vereins, ein geeigneter Turnsaal fehlte noch gänzlich. Ein Glücksfall war es, dass Ende 1905 der junge Turnbruder Christian Ackermann (geb. 28.12.1884 – gest. 18.07.1968) von Hof/Saale an das Rentamt Weismain versetzt wurde und sich sogleich aktiv dem Turnverein anschloss. Mit ihm nahmen die Aktivitäten des Vereins stetig zu. Bald bestand eine Männerabteilung, sowie eine Jugend- und Kinderabteilung. Viele Vereins- und Gauturnfeste wurden nun besucht – das vertiefte und beflügelte die Turnerbewegung. Eifriges Theaterspielen besserte die Vereinkasse auf. Und Vereinsmitglied Adam Hatzold stellte 1908 seinen Saal für die Turnstunden zur Verfügung. Damit ging ein Wunsch der Turner in Erfüllung, auch im Winter Übungsstunden abzuhalten.

Da sich der neu gegründete Turnverein in den Folgejahren eines regen Zulaufs  erfreute, sollte 1909 die erste Fahne geweiht werden. Die kirchliche Weihe wurde damals leider abgelehnt, so dass die Enthüllung nur mit großen Ansprachen auf dem Marktplatz abgehalten werden konnte. Anschließend bewegte sich der Festzug mit der neuen Vereinsfahne begleitet von Fahnenjungfrauen und der Blasmusik zum Turnplatz am Lindenkeller.

Eine weitere für die heutige Zeit seltsame Begebenheit weiß der Chronist aus jenen Tagen zu berichten. Am 28.Juni 1909 sollte im Saal „Zur Krone“ ein Festball abgehalten werden. Trotz bezirksamtlicher Genehmigung untersagte  die Gendarmerie kurz vor Beginn die Veranstaltung, da „am Vorabend von Peter und Paul nicht getanzt werden dürfe“.

Die Aufwärtsentwicklung des Vereins und der regelmäßige Turnbetrieb wurden 1914 jäh durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs unterbrochen. Viele aktive Turn-vereinsmitglieder wurden zur Fahne gerufen – es waren 79 Mann. Nur notdürftig konnte der Turnbetrieb in den folgenden Kriegsjahren für die Jugend und die Kinder aufrechterhalten werden.

Erst nach Ende des Weltkriegs 1918 kam der Turnbetrieb wieder langsam in Schwung. Immerhin 11 Turnbrüder waren im Krieg gefallen, 14 wurden verwundet und 9 kamen in Gefangenschaft. Am 01.02.1919 übernahm Christian Ackermann, der heil aus dem Heeresdienst in seine Heimat zurückgekommen war, die Vorstandschaft des Vereins. Der Mitgliederstand wird zu jener Zeit mit 91 beziffert.

III. TV in den 20er- und 30er-Jahren

Interessant ist im Protokollbuch zu lesen, dass 1921 der Turnrat für jedes unentschuldigte Fernbleiben von den Turnstunden 50 Pfennig Ordnungsstrafe verhängte, um den Turnbetrieb zu forcieren! Wieder wurde die Vereinkasse mit zahlreichen Theateraufführungen im Saal vom Gasthof „Zur Krone“ aufgebessert. Und die Aktiven besuchten Vereinsturnfeste in ganz Oberfranken, so z.B. in Bayreuth und Forchheim sowie das Bayerische Turnfest 1926 in Bamberg zum sogenannten Wettturnen. An Christi Himmelfahrt wurden gewaltige Fußwanderungen durchgeführt – 1920 z.B.  bis Staffelstein, Kloster Banz und zurück nach Weismain. Auch betrieb der Turnverein am Turnplatz eine Kegelbahn. Der Überschuss aus dem Bieraus-schank kam der Vereinskasse zugute.

Manche Berichte der damaligen Ausschuss-Sitzungen lassen uns heute schmunzeln: So wurden dem Vereinsdiener monatlich 5 Mark Aufwandsentschädigung zugebilligt; in den Vereinsausschuss durften nur Turner bestellt werden, die die „Aktivität besitzen“. Im Jahre 1921 wurde von der Vorstandschaft eine „Stabhochstange“ von 3 Metern Länge bestellt.

Das Turnen im Freien scheiterte immer wieder an der Turnplatzfrage. Deshalb wollte der Vereinsvorstand das enge Gelände um den Lindenkeller ausbauen und erweitern. Doch machten langwierige Grundstücksverhandlungen die Pläne immer wieder zunichte. Endlich gelang es  dem TV unter der Vorstandschaft von Andreas Ultsch und Christian Ackermann, durch Ankauf und Tausch eines Ackers den lang ersehnten Bauplatz für eine Turnhalle mit Turnplatz an der Hollfelder Straße zu erwerben.

Noch im August 1924 begannen die Erdarbeiten und am 12. September 1925 legte man den Grundstein für die Turnhalle. Am 29. November 1925 wurde bereits Richtfest gefeiert. Trotz großer finanzieller Schwierigkeiten konnte das Bauvorhaben dank großzügiger Spenden von Turnbrüdern weitergeführt werden. Es wird berichtet, dass am 26. Dezember 1925 der Turnverein sogar schon seine erste Weihnachts-feier in der neuen Turnhalle abhielt.

Am 5. und 6. Juni wurde offiziell die weltliche Einweihung der nun vereinseigenen Turnhalle verbunden mit einem Wettturnfest gefeiert. Weil der Turnverein das Frauenturnen in sein Programmangebot aufgenommen hatte, blieb auch der Turnhalle wie einst der Fahne die kirchliche Weihe versagt. Am 29. Mai 1926 war nämlich zum ersten Mal die neu gegründete Frauenabteilung, bestehend aus 15 Mädchen, in Weismain an die Öffentlichkeit getreten.

Im folgenden Jahr, also am 24, September 1927, wurde auch eine Fußballabteilung gegründet. Wieder war der Verein auf der Suche nach einem geeigneten Sportplatz für die Spiele. Erst als das Turnerheim des Bayerischen Turnerbundes 1932 gebaut wurde – wir kennen es heute als Altenheim St. Konrad an der Geutenreuther Straße –  erhielt die Fußballabteilung die Genehmigung, auf dem vorgelagerten Sportplatz zu spielen. Noch im gleichen Jahr wandelte sich die Fußballabteilung zu einem selbstständigen Fußballverein um.

Im Jahr 1929 konnte der Turnverein sein 25jähriges Gründungsfest feiern, verbunden mit einem Wettturnen in der Turnhalle. Viele Vereine, Wettkämpfer – und jetzt zum ersten Mal auch Wettkämpferinnen – traten zum sportlichen Kräftemessen an. Es war ein großes Fest für das Städtchen Weismain.

An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass durch die Initiative des damaligen ersten Vorsitzenden Christian Ackermann, der auch gleichzeitig Stadtrat war, für die Weismainer Jugend durch die Stadt Weismain ein Schwimmbad erbaut wurde. Eingeweiht wurde es am 19. Juni 1932 mit einem erfolgreichen Schwimmfest, veranstaltet vom Turnverein. Leider verkam dieses Schwimmbad an der Krassach auf Höhe des heutigen Uhubrunnens im Laufe der folgenden Jahre, ohne dass es ausgebessert oder erneuert wurde.

Es begannen die Zeiten des Nationalsozialismus und die Bahnen der Turner und Turnerinnen zur Körperertüchtigung wurden vom Staat in andere Richtungen gelenkt. Aus dem Turnen wurde Wehrertüchtigung. Durch den Ausbruch des 2. Weltkrieges 1939 kam der Turnbetrieb nun vollständig zum Erliegen. Die Turnhalle wurde vom Staat zur Unterbringung von Flüchtlingen beschlagnahmt. Die Protokollbücher schweigen nun über jene unheilvolle Zeit.

Nach dem schicksalhaften Ausgang des 2. Weltkriegs 1945 wurden Turnhalle und Vermögen des TV Weismain von den amerikanischen Besatzungsmächten beschlagnahmt und einem Treuhänder zur Verwaltung übergeben. Noch immer ruhte jeglicher Turnbetrieb.


IV. TV-Neugründung nach dem 2. Weltkrieg

Endlich, am 4. Mai 1949, fanden sich auf Anregung unseres Turnbruders Christian Ackermann 29 ehemalige Turnvereinsmitglieder zusammen, um den Turnverein Weismain wieder aufleben zu lassen. Bei der ersten Versammlung wurden Heinrich Kremer zum 1. Vorsitzenden und Christian Ackermann zum Geschäftsführer gewählt.

Die neue Vorstandschaft erreichte, dass der TV seine Turnhalle und das Vermögen noch im gleichen Jahr vom Treuhänder durch die Bayerische Vermögensverwaltung zurückerhielt. Jetzt wurde der Turnbetrieb wieder aufgenommen, und zwar in drei Abteilungen: Für Männer, Frauen und für Kinder und Jugendliche. Heute noch bekannte Mitglieder wie Georg Fischer (+2001) als Turnwart, Maria Hühnlein als Frauenturnwartin und Dora Gückel als Kinderturnwartin leiteten von nun an die Übungsstunden.

Die heruntergewirtschaftete Turnhalle musste dringend renoviert werden. Viele Turngeräte waren beschädigt oder sogar abhanden gekommen. In den folgenden fünf Jahren seit der Neugründung wurden Fußboden und Toilettenanlagen ausgebessert sowie die Halle selbst um 7 m verlängert – dem heutigen Bühnenbereich. Durch Zuschüsse vom Bayerischen Landessportverband und die Vermietung der Halle an ein Wanderkino konnten die Bau- und Reparaturkosten gedeckt werden.

Der Blick richtete sich nun auch wieder über die Stadtgrenzen hinaus. So besuchten in den Folgejahren wieder zahlreiche Turnerinnen und Turner Vereinsfeste in ganz Deutschland. Zu erwähnen sind hierbei vor allem die Deutschen Turnfeste in Hamburg 1953, in München 1958 und die 100-Jahrfeier des Turnvereins in Coburg. Das Weihnachtsturnen wurde fester Bestandteil des Jahresprogramms und 1960 zum traditionellen Nikolausturnen am 1. Advent umbenannt. Regelmäßig trafen sich an Christi Himmelfahrt die Vereinsmitglieder zur sogenannten Götzwanderung rund um unser Heimatstädtchen. (Benannt ist die Götzwanderung  nach dem Vorsitzenden der Deutschen Turnerschaft Dr. Ferdinand Götz aus Leipzig Anfang des 19. Jahrhunderts.)

Leider beeinträchtigte überaus schlechtes Wetter die Feiern zum 50-jährigen Bestehen des Turnvereins 1954.Trotzdem gelang es, die Turn- und Sportwett-kämpfe mit einer überaus großen Beteiligung durchzuführen und bei einer Festveranstaltung in der Turnhalle mit Ehrungen, Turnwettkämpfen und Vorführungen die Gäste zu begeistern.

Weiter befand sich der Turnverein im Aufwind und man konnte auf Grund der sprunghaften Aufwärtsentwicklung Anfang der sechziger Jahre einen Mitgliederstand von 185 Personen vermelden. Unser Turnbruder Reinhard Melkus gründete im Juli 1960 eine Leichtathletik-Abteilung und Andreas Pfeufer (+2002) im gleichen Jahr die Tischtennis-Abteilung, die seit 1961 bis heute erfolgreich am Verbandsspielbetrieb teilnimmt.

Im Jahr 1963 wurde der schon lange geplante seitliche Anbau der Turnhalle begonnen und im Juli 1964 fertiggestellt. Damit erhielt die Halle eine abermalige Erweiterung und die sanitären Anlagen wurden verbessert. Gleichzeitig installierte man eine Ölheizung. Dazu konnte der Verein im gleichen Jahr das 60-jährige Bestehen feiern. Bei Bilderbuchwetter fanden zum Jubiläum ein großartiger Festzug, ein Festnachmittag mit Schauturnen und Siegerehrung und anschließend ein Festtanz statt. Schirmherr war unser verehrter Turnbruder und 1. Bürgermeister Bernhard Stölzle.

Am Vortag des Vereinsjubiläums erhielt die Vereinsfahne von 1909 im Rahmen einer Andacht in der katholischen Stadtpfarrkirche endlich ihre kirchliche Weihe. Dabei würdigte Stadtpfarrer Andreas Rauh in seiner Ansprache die Bedeutung des Turnsports für Körper und Geist – und die Fahne damit als Symbol dieses edlen Sports. Im folgenden Jahr wurde auch der Turnplatz hinter der Turnhalle fertig und am 2. Januar 1965 erhielt die Turnhalle den kirchlichen Segen von unserem H.H. Stadtpfarrer Andreas Rauh.

Da nun das Wanderkino seine Vorführungen in der Turnhalle einstellte, wurden die Kassenausfälle durch viele Tanzveranstaltungen und Altpapiersammlungen ausgeglichen.

Am 7. Mai 1965 legte Heinrich Kremer aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als 1. Vorsitzender nieder. Als Nachfolger wählten die Turner nun Zimmerermeister Georg Schneider (+1996). Hauptgeschäftsführer blieb weiterhin Christian Ackermann. Die Mitgliederzahl war inzwischen auf 261 gestiegen.

Einen herben Verlust hatte der Turnverein im Jahr 1968 zu beklagen. Am 18. Juli verschied unser eifriger Turnvater von Weismain, Christian Ackermann. 63 Jahre hatte er das Vereinsschiff mitgesteuert. Zahlreiche Turnvereinsmitglieder folgten der Vereinsfahne bis zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Weismainer Friedhof.

Die Tischtennisabeilung befand sich weiter im Aufwind und gründete die erste Jugendmannschaft. Weil Andreas Pfeufer aus beruflichen Gründen die Leitung der Tischtennis-Abteilung aufgab, übernahm Günter Schott (1969 bis 1971) und anschließend Georg Till (1971 bis 1975) die Nachfolge.

Doch wie im Leben eines Menschen gibt es nicht immer nur eitel Sonnenschein. Und so geschah es auch im „Lebenslauf“ unseres Turnvereins: Eines Tages ziehen dunkle Wolken auf und es mischen sich Wermutstropfen in den sonst munteren und regen Turnbetrieb. Schwere Zeiten folgten, denn finanzielle Schwierigkeiten zwangen die Vereinsführung 1970, die geliebte Turnhalle in der Hollfelder Straße der Stadt Weismain zu übereignen.

Es macht heute –  34 Jahre später –  wenig Sinn, über Gründe und Unvermeidlichkeit dieser Entscheidung zu rätseln und zu urteilen. Sicher ist, dass die Verantwortlichen den Entschluss nur schweren Herzens fassten und es sich nicht leicht gemacht haben. Ohnehin musste durch den vermehrten Bedarf an Übungsstunden die  Sporthalle an der neuen Grundschule ab 1975 in Anspruch genommen werden. Die Turnhalle in der Hollfelder Straße, uns allen jetzt bekannt als „Stadthalle“ wurde seitdem im Wesentlichen von der Tischtennis-Abteilung benutzt.

V. TV Weismain – solide Breitenarbeit bis heute

Glücklicherweise beeinflussten die finanziellen Probleme den Turnbetrieb nicht. Nach Überwindung des Engpasses setzte sich das rege Vereinsleben in der altgewohnten Art fort. Zuvor war Turnbruder Willi Krämer am 21. Mai 1968 zum 1. Vorsitzenden und Hauptgeschäftsführer gewählt worden. Unter seiner Regie besuchten die Aktiven des TV eifrig die Deutschen Turnfeste: 1968 in Berlin, 1973 in Stuttgart, 1979 in Hannover, 1983 in Frankfurt, 1987 wieder in Berlin, 1990 in Bochum und 1994 in Hamburg. Dazwischen lagen noch die Bayerischen Turnfeste in Elsenfeld, Miltenberg, Ingolstadt, Coburg und Bamberg. Immer kehrten unsere Turnerinnen und Turner mit Siegerkränzen und reichem Medaillensegen frohgelaunt von den Wettkämpfen ins Heimatstädtchen zurück. Durch stetigen Zulauf wuchs der TV bis 1985 auf 340 Mitglieder.

Wir blicken nochmals zurück ins Jahr 1978: Auf vielfachen Wunsch entstand eine Hausfrauengymnastikgruppe. Erste Übungsleiterin war Gerdi Steffler und seit 1981 ist unsere langjährige 2. Vorsitzende Dagmar Dietz (1981 bis 2001) ununterbrochen für die Fitness unserer junggebliebenen Seniorinnen zuständig.

Das 75-jährige Bestehen feierte der Turnverein am 15. September 1979 mit einem Festabend in der Stadthalle und einem Bergturnfest auf dem Sportgelände an der Grundschule – Schirmherr war 1. Bürgermeister Max Goller. Auch das 80. Jubiläum 1984 fand mit dem zweiten vereinsinternen Bergturnfest der Vereinsgeschichte auf dem Schulsportgelände und der Heinrichshöhe statt.

Bei der Tischtennis-Abteilung vollzog sich 1975 ebenfalls ein Wandel. Am 19. Februar 1975 wählte man Willi Hopfenmüller zum 1. Abteilungsleiter – und nun erlebte der Tischtennissport in Weismain einen unvergleichlichen Aufschwung. 1979 gründete man eine Damenmannschaft und die nahm sogleich an den Verbands-spielen teil. Die Tischtennis-Abteilung des TV hatte in der Saison 1980/81 neun Mannschaften gemeldet und in der Spielzeit 1985/86 sogar 11 Teams. 1987 wurde eine Idee von Willi Hopfenmüller in die Tat umgesetzt und am Mühlweg feiert man bis heute jedes Jahr das Straßenfest.

Bei den Neuwahlen am 24. September 1981 übernahm Oberturnwart Heinrich Stengel das Steuer des Turnvereins als 1. Vorsitzender. 2. Vorsitzende wurde Dagmar Dietz und Geschäftsführer Willi Krämer. Ein Jahr später, am 27. März 1982, ernannte der Turnverein unseren Willi Krämer zum Ehrenvorsitzenden.

In der Zwischenzeit erlebte die Damengymnastik-Riege einen enormen Aufschwung und gilt bis heute mit über 100 jungen Frauen als stärkste Abteilung des Vereins. Viele Tanzdarbietungen neben den regelmäßigen Turnstunden finden sich Jahr für Jahr in den Aufzeichnungen, so z.B. ein temperamentvoller und mitreißender Auftritt auf dem Hauptmarkt beim Altstadtfest in Nürnberg 1982. Choreographie und Leitung hatte damals wie heute Helga Fischer.  Eine Volleyballabteilung musste leider 1989 wegen mangelnder Beteiligung ihren Übungsbetrieb wieder einstellen.

Freudig begrüßte der Turnverein bei seiner Jahreshauptversammlung 1989 sein 400. Mitglied, unseren Turnbruder und Wanderwart Klaus Fischer. Große Erfolge erzielte die Orientierungslauf-Gruppe unter Oberturnwart Sigi Susdorf in den Jahren 1989 bis 1992.

Einen sensationellen Erfolg errang 1994 die Tischtennisabteilung. Der ersten Herrenmannschaft gelang in einem dramatischen Endspiel in Bodenmais gegen Königshofen/Ufr. der Sieg. Damit war sie Bayerischer Pokalsieger der Kreisliga-Mannschaften. Ein rauschender Empfang wurde den siegreichen Tischtennisspielern von der Blasmusik, erstem Bürgermeister und der Bevölkerung vor dem Rathaus bereitet.

Mit respektablen Aktivitäten und Leistungen kann die Radwandergruppe des TV seit 1992 aufwarten. Während einer Ausschusssitzung wurde der Gedanke geboren, eine große Radtour von Weismain bis Nürnberg zu fahren. Man hatte nicht geglaubt, dass sich dieser kühne Plan in den folgenden Jahren zu noch längeren Strecken mit Zwischenetappen hin entwickeln würde.

Unter der kundigen Leitung von TV-Wanderwart Alois Dechant strampelte die Gruppe schon 1993 weiter von Nürnberg bis Regensburg, 1994 bis Passau, 1995 sogar bis Wien. Weiter ging es 1996 von Weismain bis Aschaffenburg, 1997 bis Bonn und 1998 bis Rotterdam.

Diese Radtouren wurden 1999 fortgesetzt bis nach Berlin, 2000 nach Stettin und 2001 zu Ende bis Danzig. Die vorletzte große Fahrt führte unsere tapferen Pedalritter 2002 von Weismain in drei Etappen bis in die „Goldene Stadt“ Prag. Müde aber überglücklich und Gott sei Dank ohne größeren Unfall kehrten die Radsportler vom TVW immer wieder in die fränkische Heimat zurück.

Turnbruder Willi Krämer legte 1995 das Amt des Hauptgeschäftsführers nach über 30-jähriger Tätigkeit für den Verein nieder. Zum Nachfolger berufen wurde Gilbert Krautwurst. Willi Krämer war für seine ehrenamtliche Tätigkeit zum Wohle des Sports 1989 von der Stadt Weismain mit der Silbernen Ehrenmedaille und 1990 mit der Bundesverdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet worden.

Im Mai 1995 begann auf Initiative junger Mütter eine der jüngsten Abteilungen im wahrsten Sinne des Wortes mit ihrem Turnbetrieb: Die Mutter-Kind-Gruppe unter den drei Übungsleiterinnen Barbara Püls, Mira Knorr und Andrea Wittke-Schneider. Bei Spiel und Spaß können die kleinsten Turner unter Aufsicht ihrer Mütter ihren natürlichen Bewegungsdrang austoben. Sie werden zum Turnen hingeführt und angeleitet, damit kann Bewegungsarmut erst gar nicht entstehen.

Im Herbst 1996 ist es soweit und eine weitere Ära beginnt: Die Basketballgruppe nimmt nach längerer Übungszeit den Spielbetrieb auf. Schon bald stellen sich die ersten Erfolge unter der Leitung von Stefan Heer und Trainer Georg Reich ein. Die Basketballabteilung nimmt in den Folgejahren einen unerwarteten Aufschwung und verzeichnet einen sprunghaften Anstieg der Teilnehmerzahl. In  fünf Gruppen, auch Mädchen, gliedert sich die neue Sportabteilung. Geübt und gespielt wird ebenfalls in der Turnhalle der Grundschule. Bis zu 100 Aktive werden bald von 5 Trainern und einem Übungsleiter betreut.

1999 kann der 1. Vorstand den höchsten Mitgliederstand des TV in seiner Vereins-geschichte vermelden – mit 567 Personen ist nun der Turnverein der zahlenmäßig stärkste Verein in der Stadt. In der Generalversammlung am 08.11.2001 werden wieder Heizungs- und Lüftungsbaumeister Heinrich Stengel, zum 1. Vorsitzenden und Andreas Dietz zum 3. Vorsitzenden gewählt. Mira Knorr übernimmt für Dagmar Dietz den 2. Vorstandsposten.

Ab 01. Januar 2002 erfolgt die Umstellung der Mitgliedsbeiträge auf die neue Euro-Währung. Im gleichen Jahr findet in Leipzig das Deutsche Turnfest statt und 22 Turnerinnen und Turner unseres TV nehmen teil. Ganz beachtliche Platzierungen erzielten hier die Orientierungsläufer unter der Leitung von Oberturnwart Sigi Susdorf.

Jede einzelne Aktivität hier aufzulisten würde zu weit führen und den Leser ermüden.

Doch sei hier nochmals auf die zahlreichen traditionellen und jährlich wiederkehren-den Veranstaltungen außerhalb des Turnbetriebs hingewiesen: die Götzwan-derungen, die Faschingsbälle und das Nikolausturnen. Auch soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Turner zeitweise mit Tanzen und Skigym-nastik betätigen konnten und sich in der Aerobic-Gruppe fit halten können. Jedes Jahr bietet der Turnverein die Möglichkeit, das Deutsche und Bayerische Sportab-zeichen abzulegen. Diese geraffte Zusammenfassung möge die Breitenarbeit des Turnvereins widerspiegeln, die mit vielen immer noch ehrenamtlichen Übungsleitern aufrechterhalten wird.

Nicht jeder Übungsleiter, Vorturner oder Trainer kann hier namentlich erwähnt werden, obwohl gerade sie gewürdigt werden sollten für ihre jahrelange Arbeit Woche für Woche. Eine Aufstellung und Gliederung des TV findet der Leser im Anschluss an die Vereinschronik.

Stellvertretend für alle Gruppenleiter und Riegenführer möge aber das Lob für unsere „gute Seele des TV“ Helga Fischer gelten. Ihr nimmermüder Eifer für die Turnersache und ihre Kreativität sind beispielhaft. Als Leiterin der Damengymnastikgruppe (seit 30 Jahren) und der Männergymnastikriege hat Helga Fischer mit einstudierten Tanzdar-bietungen viele Veranstaltungen bereichert. Zum Dank erhielt unsere Turnschwester von der Stadt Weismain 1997 die Silberne Ehrenmedaille. Dies alles zusammen mag auch der Grund für die Berufung zur Kreis- und Bezirksfrauenvertreterin im BLSV am 01. März 2000 sein.

Im 99. Jahr der Vereinsgründung konnte die rührige Basketballabteilung ihren bislang größten Erfolg erzielen. Die Herrenmannschaft errang den Aufstieg in die Kreisliga und der Zulauf im Nachwuchsbereich hält weiterhin an. Nun bestehen vier Basketball-Jugendmannschaften, so dass noch freie Trainingstermine in der Sporthalle dringend benötigt werden.

Auch die Jugendmannschaft der Tischtennisabteilung stand keineswegs zurück und sicherte sich den Titel eines oberfränkischen Pokalsiegers. Und die Radlergruppe führt ihre Radtour im Mai 2004 in der zweiten Etappe von Heilbronn bis zum Bodensee durch.

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